Rubrik: Politik – Kommentar
Subline: Wer Frieden nur dann akzeptiert, wenn er makellos ist, akzeptiert in Wahrheit den Krieg. Schluss mit der Couch‑Tapferkeit.
Man kann es nicht höflich sagen: Ein Teil des Mainstreams verwechselt Haltung mit Verantwortung. Vom Studio‑Panel bis zur Leitglosse wird der „Prinzipienfrieden“ beschworen – als ob Reinheit an der Front Deckung gäbe. Aber Reinheit fängt keine Kugel oder Schrapnell ab. Diese Reinheit fordert Verstümmelung, verlorene Gliedmaßen und alleingelassene Familien.
Zwischenton, EU‑Edition: Wer sich in Alaska selbst zum Beisitzer machen wollte, hat das Konzept verfehlt. Moderation ist kein Menschenrecht, schon gar nicht in XXL‑Runden. Die EU wirkt wie der Regie‑Tisch, der ständig ins Bild laufen will – statt endlich Licht, Ton und handfesten Support für die echten Protagonisten bereitzustellen. Während Merz am Montag in Washington, noch einmal davon faselte, dass ein Waffenstillstand vor dem nächsten Treffen Bedingung sei, fuhr ihm Präsident Trump knallhart über den Mund. Trump will Frieden, und keinen Waffenstillstand, der dann zur Aufrüstung genutzt werden könnte.
Frage eins: Wie viele Tote sind ein „akzeptabler Preis“ für eure Untadeligkeit? Nennt eine Zahl. Nicht in Prozentpunkten, in Menschen – in Leben, in Liebe und Freude, in Glück und Zukunft – für die Familien, die ihr zu opfern bereit seid!
Frage zwei: Was rettet schneller Leben – die nächste makellose Resolution oder ein unperfekter Frieden?
Wer jetzt aus der Hüfte „Appeasement!“ ruft, sollte das Wort Verhandlung noch mal nachschlagen. Verhandeln ist keine Kapitulation. Es ist die einzig erwachsene Form, Gewalt zu beenden, wenn niemand mehr gewinnen kann, ohne alles zu verlieren. Und eins steht fest: Keiner der Gefallenen, kein Angehöriger, keine Freundin oder Frau, kein Kind, kein Vater und keine Mutter haben irgendetwas gewonnen – weder auf ukrainischer noch auf russischer Seite.
Ja, Völkerrecht und Souveränität sind ernst. Aber Gesetze sind kein Fetisch. Sie dienen Menschen – wer das umkehrt, handelt autoritär gegen die Gesellschaft.
Die Wahrheit: Ein Frieden mit Macken rettet sofort viele Leben. Ein Krieg mit Prinzipien tötet jeden Tag Hunderte. Wer das wegrechnet, betreibt Zynismus in Reinkultur.
Frieden ist selten sauber. Aber schmutziger ist der Graben. Wer jetzt Friedensverhandlungen verhindert, entscheidet sich bewusst für mehr Tote, mehr Witwen, mehr Vollwaisen – und für Haushalte, die noch eine Runde mehr Munition statt Schulen, Pflege, Infrastruktur bezahlen.
Und genau deshalb ist der Alaska‑Moment und im Anschluss die Gespräche in Washington mehr als eine Fotostrecke. Er ist die Gelegenheit, den Zynismus zu durchbrechen: weniger Pathos, mehr Prüfpunkte; weniger „Standhaftigkeit“ auf Kosten anderer, mehr Mut zur Unperfektion – schwierig für Politdarsteller, die nicht für Menschen, sondern für ein globales Konstrukt arbeiten.
Am Ende steht kein moralisches Märchen, sondern eine nüchterne Bilanz: Wer Frieden will, zählt zuerst mal die Toten – und handelt dann so, dass es weniger werden.